Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. (Lk 6,36): Andacht zur Jahreslosung 2021

© Elke Bussemeier: http://www.bussemeierart.de

Auf unserer Welt ist alles miteinander verbunden. Keiner ist eine Insel. Alles greift ineinander wie die Zähne verschiedener Zahnräder. Wenn ein Rad sich dreht, bewegt sich mindestens auch ein anderes. Manchmal schnell, manchmal langsam. Manchmal nur ein kleines Stück, manchmal mehrere Umdrehungen. Wer weiß schon, was aufgrund einer einzelnen Handlung in Gang kommt oder wegen eines Wortes oder wegen dem, was nicht getan wurde.

Auf unserer Welt ist alles miteinander verbunden:

– Wenn es auf Arbeit wieder einmal zu viel zu tun gibt. Die Dinge unbedingt fertig werden müssen, aber die normale Arbeitszeit einfach nicht dafür reicht. Die Anspannung wächst. Die Kinder werden der Konzentration halber aus dem Zimmer verbannt. Nach einer Weile knallen die Türen und die Kinder, deren Tag bisher ganz gut war, schreien sich an.

– Finanzbedingt wird der Jugendclub eines Ortes geschlossen. Nun treffen sich die Jugendlichen auf dem Spielplatz. Doch die Kleinen gehen nun nicht mehr gerne auf den Spielplatz. Sie haben Angst vor den Großen. Die Musik ist ihnen zu laut.

– Den Mädels von der Sportgruppe noch schnell einen kleinen Neujahrgruß besorgen. Denn die Gemeinschaft ist wirklich großartig. Nur das finanzielle Budget dafür ist leider nicht besonders groß. Und die Zeit für die Besorgung auch schon wieder fast abgelaufen. Einzig der Anbieter mit den billigen Waren aus dem Internet kann es noch richten. Auch wenn seine Waren nicht fair sind. In einem anderen Teil der Welt schuftet ein Ehepaar 14 Stunden täglich in einer Fabrik für einen Billiglohn. Seine Kinder, die bei den Großeltern leben, hat es schon mehrere Monate nicht gesehen.

Auch Dinge, die gewesen sind, sind nicht plötzlich vorbei. Egal ob es sich um ein Menschenleben handelt, die Nach­wirkungen eines Krieges oder die Folgen einer Pandemie. Alles bewirkt irgendwo etwas. Ein Rädchen dreht das andere, auch über das Ende eines Jahres hinaus.

Und mitten in das Schnurren der Rädchen und Räder unserer Welt hinein hören wir mit der Jahreslosung 2021 die Stimme von Jesus:

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. (Lk 6, 36)

Barmherzig – ein altes Wort. Was bedeutet das? Obwohl es viele mit „Mitleid“ erklären, denke ich nicht, dass es dasselbe ist. Denn ich habe schon oft von Menschen gelesen, die gesagt haben: „Ich will kein Mitleid.“ Noch nie aber habe ich gehört oder gelesen: „Ich will keine Barmherzigkeit.“

Ein Mann, dem nach einem Unfall ein Bein verblieben ist, sagt: „Ich will kein Mitleid, denn es ermöglicht keine Begegnung auf Augen­höhe. Mitleid macht den anderen klein, weil es von oben auf die Defizite schaut.“

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Das Jesuswort verbindet „barmherzig“ mit Gott. Barmherzig sein gehört untrennbar zum Wesen Gottes. Unser Gott, der die Liebe ist, schaut mit liebendem Blick auf sein Gegenüber. Er hilft ihm, seinem Elend zu entkommen.

Barmherzigsein ist etwas, das Gott in unsere Welt hineinträgt. Alle Barmherzigkeit hat ihren Anfang in Gott. Gott überlässt unsere Welt nicht sich selbst. Die leidvollen Rädchen und Räder unserer Welt sollen nicht einfach so wie immer weiterrattern. Das Schwungrad von Gottes Liebe setzt andere Räder in Bewegung.

Seid barmherzig wie auch euer Vater barmherzig ist. Lass dich von Gott bewegen. Schau andere Menschen an, wie Gott sie ansieht: mit liebevollem Blick. Blicke nicht nur auf ihr Versagen, ihr Leid und ihre Fehler. Sondern sieh den ganzen wertvollen, einmaligen Menschen, den Gott geschaffen hat. Dann beginnen sich die Rädchen und Räder unserer krisengebeutelten Welt im neuen Jahr anders zu drehen – bei dir zu Hause, in deinem Dorf, in unserer Welt.//

Ich danke Elke Bussemeier, dass ich ihr Bild zur Jahreslosung 2021 auf dieser Seite nutzen darf. Kontakt zur Website bussemeierart: