Umgekehrter Adventskalender

Andacht zum 2. Advent

Als Kind war der Adventskalender für mich nicht wegzudenken. Selbst als ich eine Zeit lang im Krankenhaus zubringen musste, bastelte mir meine Mutter einen Adventskalender und brachte ihn mir dorthin.

Auf der Kinderstation war ich nun privilegiert. Denn viele hatten gar keinen – oder einen „nur aus Papier“. So war ich jedes Mal von einer Horde Kinder umgeben, wenn ich ein neues Türchen öffnete. Und danach wurde ich innig bekniet, ich möge doch gleich das nächste Türchen auch öffnen.

Immer ein neues Türchen öffnen – auf dem Weg zum Weihnachtsfest – was für eine Verheißung. Weihnachten stehen dann alle Türen offen.

In diesem Jahr ist alles anders. Umgekehrt. – Wir wollen singen: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ – stattdessen haben wir jeden Tag das Gefühl als würde uns wieder eine Tür vor der Nase zugeschlagen.

  • Weihnachtsmärkte – Tür zu.
  • Advents- und Weihnachtsfeiern – Tür zu
  • Großes Familienfest – Tür zu.
  • 10 Personen und Kinder – Tür zu.
  • Lieder singen – Tür zu.
  • Ein sicherer Platz am Hlg. Abend in der Kirche – Tür zu

Und während wir in den vergangenen Jahren mit jedem geöffneten Türchen dem Fest eines neuen Lebens entgegen gegangen sind, spüren wir in diesem Jahr mit jeder Tür, die verschlossen wird, den Hauch des Todes, der uns umweht, etwas mehr.

Ein trauriger Advent?

Nein, nur ein anderer. – Vielleicht einer, in dem wir die gute Botschaft wieder deutlicher hören. Denn es gibt kaum noch etwas, was uns davon ablenken könnte.

(Flüstern)      Seht auf!

(lauter)          Seht auf!

(laut)             Seht auf und erhebt eure Häupter!

Einer meiner Kolleginnen wurde einmal gesagt: „Du brauchst ein anderes Problem.“ –

Das stimmt. Nur zu gern beißen wir uns an einem Problem oder schwierigen Sache fest. Das frisst dann alle unsere Energie. – Derzeit richten wir alle unsere Blicke auf Corona und auf das, was nicht geht.

Aber im Wochenspruch des 2. Advents heißt es: Seht auf und erhebt eure Häupter!

Lass dich nicht niederdrücken. Wer nur nach unten guckt, dem geht die Hoffnung aus. Denn er kann fast gar nichts mehr sehen.

Seht auf! – Richte dich auf und deinen Blick! – Lass Angst und Sorge nicht alles bestimmen. – Weite deinen Blick auf das, was geht und was gut ist.

Schau um dich! Nimm bewusst wahr, dass es noch mehr gibt.

Dass es andere Wege gibt und andere Formen.

Auch um Advent und Weihnachten zu feiern.

Denn Weihnachten und Advent feiert sich zwar leichter mit offenen Türen. Aber wenn Gott seinen Sohn auf die Erde schickt, dann sind für ihn auch unsere geschlossenen Türen kein Hindernis.

Gott kommt auf die Erde.

Auf jeden Fall.

Er kommt auch zu dir.

Du must ihn nur einladen

und nach ihm Ausschau halten.

Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. (Lk 21, 28b)

(die Idee der geöffneten und geschlossenen Türen verdanke ich Vikarin I. Lautzas, Kirchenbezirk Leipziger Land)