Das Licht sehen

Predigt in den Christvespern am Heiligen Abend 2020

Liebe Gemeinde,

dieses Jahr war für die wenigsten von uns heil und schön. Ja sicher, es gab auch schöne Momente, aber Sorgen und Ungewissheit überwogen, für manche von uns auch Schmerz und Trauer.

Das Volk, das im Finstern wandelt

Können wir das nicht von Weihnachten fern halten? Wenigstens heute sollte es mal anders sein. Einmal nicht daran erinnert werden, wovon die Nachrichten und die Zeitungen jeden Tag voll sind. Einmal nicht an den Platz denken, der jetzt leer bleibt. Einmal nicht den Schmerz spüren.

Nein, das können wir nicht. Weil all das zu unserem Leben dazugehört.

„Nein“ auch noch aus einem anderen Grund: Weihnachten geschieht, weil die Welt dunkel ist. Eben nicht perfekt und glanzvoll (nicht mal zu Weihnachten). Sondern schmerzhaft, traurig, lebensgefährlich, zerstritten, gewaltsam, unverstanden, einsam, auf Abstand.

Das Volk, das im Finstern wandelt

Ja, in diesem Jahr fühlen sich die meisten im Dunkeln.  Von irgendeiner Seite bedrängt – manche von der Krankheit, manche von den Einschränkungen, manche von Unklarheit und Ungewissheit, manche von der Einsamkeit.

So sitzen wir in diesem Jahr wie die Hirten in der Dunkelheit der Nacht. Wir starren in die kalte Ungewissheit. Wir versuchen uns mühsam am Feuer der guten Nachrichten zu wärmen. Aber Dunkelheit und Kälte greifen mittlerweile auch nach unserem Herz. Wird das mal wieder aufhören?

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht.

Das Licht, das die Hirten aus ihrer dunklen Welt reißt, war nicht etwa das Licht ihres selbstentzündeten Feuers. Das Licht, dass Veränderung bringt, war himmlisches Licht. Licht von Gott.

Es leuchtete in dieser einen Nacht damals auf. Die Hirten gehen los. Sie lassen sich von diesem Licht leiten: Fürchtet euch nicht! Siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der geboren, der Leben heil macht. Das ist Christus, der Herr. (Lk 2, 10ff)

Es wäre wohl zu kurz gegriffen, würde man sagen: Die Hirten haben die Botschaft der Engel gehört und dann war in ihrem Leben alles gut.  Auch für uns ist nicht plötzlich alles Belastende unseres Lebens weg, weil wir an diesem Fest hören: Euch ist heute der Heiland geboren.

Die Hirten kehrten in ihre alten Lebensumstände zurück, nachdem sie das Kind gesehen hatten. Und äußerlich blieb alles so wie vorher. So kehren auch wir nach dem Gottesdienst oder spätestens nach den Feiertagen in unser altes Leben zurück.

Und doch ist damals bei den Hirten etwas anders geworden: Die Hirten waren keine Schwarzseher mehr. Licht und Hoffnung hatten sich ganz tief in ihnen eingenistet. Die Dunkelheit der Welt konnte ihren Herzen nichts mehr anhaben.

Warum?

Weil die Gottesbegegnung, die sie mit dem kleinen Kind von Bethlehem hatten, ihrem Leben Hoffnung gab. Auch wenn ihr Lebensumfeld dunkel war, wussten sie:  Gott meint es gut mit uns. Er will, dass unser Leben hell ist. Er schickt einen, der unser Leben rettet. Er achtet auf uns. Er gibt uns Kraft.

Und das Licht, dass sie gesehen hatten, weckte in ihnen die Sehnsucht nach mehr – nach mehr Licht, nach mehr Leben.

Zu Weihnachten hat Gott seinen Sohn auch in die Dunkelheit unserer Welt geschickt. Das heißt: auch unser Leben soll nicht so bleiben. Das, was uns jetzt in diesen Tagen beschwert, wird nicht Sieger bleiben über unser Leben. Nicht Einsamkeit – nicht Krankheit – nicht Tod– nicht Gewalt – nicht Zwietracht. Gott macht uns Mut: Lass den Kopf nicht hängen! Halte Ausschau nach meinem Licht! Ich lasse es für dich leuchten. Nicht nur heute in dieser Nacht!

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht und über denen, die da wohnen im finstern Lande scheint es hell. Denn uns ist ein Kind geboren (Jes 9, 1.5a).

Bereitet dem HERRN den Weg

Andacht zum 3. Advent

In diesem Jahr tun wir uns mächtig schwer mit der Vorbereitung auf Weihnachten. War es in anderen Jahren vor allem der Stress, der den meisten zu schaffen machte, ist es in diesem Jahr eher die gedrückte Stimmung, der Verzicht, das Kommen immer neuer Verordnungen, fehlende Gemeinschaft, bei manchem auch Wut. – Die rechte Vorfreude bei der Vorbereitung auf Weihnachten will sich einfach nicht einstellen.

Doch der dritte Adventssonntag lenkt den Blick zunächst erst einmal weg von uns selbst, unseren Wohnungen und Familien: BEREITET DEM HERRN DEN WEG!

Ach ja – Advent bedeutet Ankunft. EINER kommt. – Wenn jemand ankündigt, dass er zu mir kommt, dann will ich vorbereitet sein. Damit die Begegnung gelingt. Gott kommt – aber er will nicht pünktlich von mir vom Bahnhof abgeholt werden. Er will auch kein besonderes Essen. Ich soll ihm den Weg ebnen – sagt der Prophet Jesaja.

In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden. (Jes 40, 3f)

Gott den Weg ebnen – dass er zu mir kommen kann – und zu anderen. – Kann man das überhaupt – Gott die Steine aus dem Weg räumen? Wie macht man das in einer Zeit, in der Gespräche, Besuche und Gottesdienste alles andere als selbstverständlich sind?

BEREITET DEM HERRN DEN WEG, DENN SIEHE DER HERR KOMMT GEWALTIG. (Jes 40, 3.10) – An dieser Stelle des Wochenspruches stocke ich. – DER HERR KOMMT GEWALTIG.

Nein, ich will gar keinen Gott, der wie ein großer Kriegsmann daherkommt und alles überrollt. Gewaltsam. So einen brauche ich nicht. Dafür liegt schon zu viel in Trümmern auf dieser Welt. Was ich aber brauche, ist, dass einer mit Kraft kommt – sich durch alle Hindernisse hindurch einen Weg zu mir bahnt. Zu mir, bei der sich die Freude auf Weihnachten nicht so recht einstellen will. Der sich durch alle Hindernisse hindurch einen Weg bahnt zu all jenen, deren Leben auf dieser Welt in Scherben liegt.

Ach, wenn er doch endlich käme und uns tröstete. Wenn Licht und Freude in unseren Herzen wieder Raum fände. Wenn Frieden und Liebe Einzug hielten und die aggressiven Worte und Taten gegeneinander beendeten. Wenn Gottes zuteilende Gerechtigkeit unter uns Einzug hielte, nicht das Recht des Stärkeren und die Gier. – Ja, nach solchem Besuch sehne ich mich. Der könnte nicht machtvoll genug kommen.

Nur – mit der Macht und der Kraft bei Gott – das ist nicht so einfach. Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig – hören wir (2. Kor 12, 9). Und so kommt Gott Weihnachten eben nicht als mächtiger Kriegsmann zu uns, sondern als zerbrechliches, kleines Kind. In einem Stall, bei armen Menschen – nicht in einem Palast oder einem gemütlichen Zuhause.

Aber genau das ist es doch, was ihn dort ankommen lässt, wo wir ihn brauchen. – Im tiefsten menschlichen Elend. In Armut. In Hoffnungslosigkeit. – Dort zeigt er seine Liebe. Dort schenkt er Freude. Dort bringt er Hoffnung. Das ist SEIN Weg. Der Weg, auf dem Gott kommt.

Ob ich Gott diesen Weg wirklich bereiten kann? Ich fürchte, kaum. Aber ich kann ihn dort erwarten – mit ihm rechnen, wenn ich am Boden bin – traurig – einsam – armselig. Und wo ich kann, will ich das weitersagen: JA, ER KOMMT – ZU MIR UND ZU DIR.

Gebet

Komm zu uns, Gott,

in Angst und Sorge unseres Lebens,

in Frust und Ärger über genommene Freiheiten,

in die Zerissenheit der Familien.

Komm zu uns,

bring uns Frieden

und Licht in unsere Herzen. Amen.

Umgekehrter Adventskalender

Andacht zum 2. Advent

Als Kind war der Adventskalender für mich nicht wegzudenken. Selbst als ich eine Zeit lang im Krankenhaus zubringen musste, bastelte mir meine Mutter einen Adventskalender und brachte ihn mir dorthin.

Auf der Kinderstation war ich nun privilegiert. Denn viele hatten gar keinen – oder einen „nur aus Papier“. So war ich jedes Mal von einer Horde Kinder umgeben, wenn ich ein neues Türchen öffnete. Und danach wurde ich innig bekniet, ich möge doch gleich das nächste Türchen auch öffnen.

Immer ein neues Türchen öffnen – auf dem Weg zum Weihnachtsfest – was für eine Verheißung. Weihnachten stehen dann alle Türen offen.

In diesem Jahr ist alles anders. Umgekehrt. – Wir wollen singen: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ – stattdessen haben wir jeden Tag das Gefühl als würde uns wieder eine Tür vor der Nase zugeschlagen.

  • Weihnachtsmärkte – Tür zu.
  • Advents- und Weihnachtsfeiern – Tür zu
  • Großes Familienfest – Tür zu.
  • 10 Personen und Kinder – Tür zu.
  • Lieder singen – Tür zu.
  • Ein sicherer Platz am Hlg. Abend in der Kirche – Tür zu

Und während wir in den vergangenen Jahren mit jedem geöffneten Türchen dem Fest eines neuen Lebens entgegen gegangen sind, spüren wir in diesem Jahr mit jeder Tür, die verschlossen wird, den Hauch des Todes, der uns umweht, etwas mehr.

Ein trauriger Advent?

Nein, nur ein anderer. – Vielleicht einer, in dem wir die gute Botschaft wieder deutlicher hören. Denn es gibt kaum noch etwas, was uns davon ablenken könnte.

(Flüstern)      Seht auf!

(lauter)          Seht auf!

(laut)             Seht auf und erhebt eure Häupter!

Einer meiner Kolleginnen wurde einmal gesagt: „Du brauchst ein anderes Problem.“ –

Das stimmt. Nur zu gern beißen wir uns an einem Problem oder schwierigen Sache fest. Das frisst dann alle unsere Energie. – Derzeit richten wir alle unsere Blicke auf Corona und auf das, was nicht geht.

Aber im Wochenspruch des 2. Advents heißt es: Seht auf und erhebt eure Häupter!

Lass dich nicht niederdrücken. Wer nur nach unten guckt, dem geht die Hoffnung aus. Denn er kann fast gar nichts mehr sehen.

Seht auf! – Richte dich auf und deinen Blick! – Lass Angst und Sorge nicht alles bestimmen. – Weite deinen Blick auf das, was geht und was gut ist.

Schau um dich! Nimm bewusst wahr, dass es noch mehr gibt.

Dass es andere Wege gibt und andere Formen.

Auch um Advent und Weihnachten zu feiern.

Denn Weihnachten und Advent feiert sich zwar leichter mit offenen Türen. Aber wenn Gott seinen Sohn auf die Erde schickt, dann sind für ihn auch unsere geschlossenen Türen kein Hindernis.

Gott kommt auf die Erde.

Auf jeden Fall.

Er kommt auch zu dir.

Du must ihn nur einladen

und nach ihm Ausschau halten.

Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. (Lk 21, 28b)

(die Idee der geöffneten und geschlossenen Türen verdanke ich Vikarin I. Lautzas, Kirchenbezirk Leipziger Land)