Kreuzweg 2023 mit Bildern aus dem sog. „Bamberger Zeitglöcklein“ (ca. 1475)

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In der Sammlung der Staatsbibliothek Bam­berg befindet sich, in einem Blockbuch zusam­mengebunden mit anderen religiösen Werken, ein nur 16-seitiges Büchlein, welches „Bam­berger Zeitglöcklein“ genannt wird. Es wurde um 1475 gedruckt und erzählt die Leidensgeschichte Christi in 24 durchgehend handkolorierten Bildern. Die Bilder sind jeweils mit einem kurzen Hinweis versehen und ent­sprechen den 24 Stunden des Tages – daher „Zeitglöcklein“. Das Büchlein sollte zur persön­lichen Andacht im Rahmen der Stundengebete anleiten und war wohl für die Mitglieder des Bamberger Franziskanerklos­ters bestimmt. So zeigt das letzte Bild auch den Heiligen Franziskus. Vermutet wird, dass ein paar Hundert dieser Büch­lein gedruckt worden sind, aber erhalten ist nur dieses eine Exemplar. Im Bilderkreuzweg wird eine Auswahl von 12 Bildern betrachtet.

http://digital.bib-bvb.de/view/bvb_mets/viewer.0.6.5.jsp?folder_id=0&dvs=1685183082421~225&pid=1593193&locale=de&usePid1=true&usePid2=true

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Dem Glücklichen schlägt keine Stunde.

Dafür klopft das Schicksal bisweilen heftig an die Tür und erzwingt sich den Einlass.

Braucht es dieses Klopfen und den Stundenschlag, dass wir innehalten und aufmerken? Dass wir zur Besinnung kommen und uns Zeit nehmen? Die Zeit, die alles Irdische endlich, aber auch wertvoll macht.

Ich steh und klopfe – ruft uns das noch kleine Christkind zu.

Nimm dir die Zeit! Ganz bewusst. Nimm dir Zeit zum Nachdenken über Leid, Tod und Leben.

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Mit den Schuhen an den Füßen und dem Stab in der Hand sollt ihr das Passalamm essen (Ex 12). Denn ihr müsst zum schnellen Aufbruch bereit sein, wenn Gott euch aus Ägypten herausführt.

Ägypten steht für Bedrängnis und Unfreiheit. Ägypten steht für die Welt des Todes. – Gott will herausführen – in die Freiheit, neu ins Leben hinein.

Das Blut des Passalamms am Rahmen der Tür ist das Zeichen der Freiheit. Der Todesengel sieht das Blut des Passalamms und geht vorüber.

In dieser uralten Tradition ihres Volkes halten Jesus und seine Jünger das Passamahl. Ihre Augen richten sich hier auf das Lamm. Dargebracht als Opfer für die Freiheit.

Kann es Freiheit ohne Opfer geben?

Wir schauen uns um in unserer Welt, in der Demokratie und Freiheit von so vielen mit Füßen getreten werden als wären sie nichts wert, als hätten sie nicht vieler Opfer bedurft, als wäre sie nicht schwer errungen, als müsste man nicht auf sie achten.

Was sind uns Freiheit und Leben wert? Wieviel sind wir bereit, zu tun, um sie zu bewahren?

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Noch beim gemeinsamen Mahl beginnt Jesus seinen Jüngern die Füße zu waschen. – Der Lehrer wäscht seinen Schülern die Füße, der Herr dem Diener. Welch Umkehrung der Ordnung!

Passt das in unser Denken? Können wir da mitgehen?

In unserer Welt sind doch die Hierarchien festgelegt, oben und unten, Macht und Machtlosigkeit haben ziemlich festen Bestand. Wohin soll das führen, wenn man diese Ordnung umkehrt?

Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße. Er stellt sich in ihren Dienst.

Das ist die Ordnung Gottes.

Das Kleine wird groß.

Das Große klein.

Die Letzten werden die Ersten sein.

Sind das nur schöne Worte oder könnten wir uns – wenigstens dann und wann – daran wagen, die altgewohnte Menschenordnung zu durchbrechen?

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Das Passamahl, das zum Abendmahl wurde, liegt noch nicht lange zurück. Doch damit stehen Leiden und Sterben von Jesus nun im Raum. Die Jünger verstehen nicht, wollen nicht und können nicht verstehen. Als der unruhige und ängstliche Jesus im Garten Gethsemane beten will, erliegen sie ihrer Müdigkeit.

Doch die Gefahr braut sich zusammen. Mit Spießen, Stangen und Fackeln werden sie kommen, um Jesus gefangen zu nehmen. – Wie soll diese Sache noch gut ausgehen können?

Jesus bleibt in seiner Angst allein.

Was bleibt in der Angst? Was soll man tun, wenn man nichts tun kann?           Not lehrt beten, sagen manche.

Bei Jesus ist der Faden des Gottesgesprächs nie abgerissen. Bei ihm ist es vielmehr die Frage nach Gehorsam gegenüber Gott und Hingabe bis zum Tod. – Ein unglaublich schwerer Weg, um ihn bis zum Ende zugehen. – Ist das sein Weg? Hat er die Kraft dafür?

Wieviel Gehorsam und wieviel Hingabe und Kraft wenden wir für Gott auf?               

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Dann sind sie da. Mit Gewalt und Waffen soll Jesus Christus, das Wort Gottes, zur Ruhe gebracht werden.

Ausgerechnet ein Kuss, Zeichen der Liebe, wird zum Zeichen des Verrats. Judas hatte seine Hoffnungen so sehr in Jesus gesetzt. Mit ihm als Herrscher sollte alles anders werden. Die Unterdrückten sollten wieder atmen können, die Hungrigen satt werden. Er hatte nicht nur für sich gehofft, war nicht einfach nur ein geldgieriger Egoist. Judas war aus tiefstem Herzen enttäuscht und wie schnell kann enttäuschte Liebe in Hass umschlagen.

Und selbst in dieser Szene von Gewalt und Hass bleibt Jesus der Heilsame. Als Petrus dem Diener Malchus das Ohr abschlägt, um Jesus zu verteidigen, sorgt Jesus dafür, dass Malchus diesen Schaden nicht behält. Er heilt ihn.

Wie heilsam sind wir in Szenen von Streit und Gewalt?  – Worte werden hierzulande immer schärfer, auch tätliche Gewalt gegen Andersdenkende nimmt zu. Gießen wir mit Worten und Taten eher Öl ins Feuer wie Petrus oder sind wir heilsam und befriedend  wie Jesus?

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„Bist du der König der Juden?“, will Pilatus wissen.

„Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“, antwortet Jesus.

Pilatus kann keine Schuld an Jesus finden. (Joh 18, 28ff) Und doch wird Jesus gefoltert und hingerichtet.

Da steht sie, die Unschuld. Im weißen Kleid. Ins Räderwerk der Großen geraten. Die Räder drehen sich immer weiter und weiter,  ohne Entkommen.

Auch heute kennen wir solches Unrecht. Wenn einfachen Menschen, die für ihr Recht oder das eines anderen eingetreten sind, plötzlich ein großer Prozess gemacht wird – mit überdimensionaler Strafe. Und am Ende steht der Ruin. Das ist nicht fair.

Dann sind wir fassungslos und versuchen mühsam zu verstehen. Wie konnte es dazu kommen? Warum ist das geschehen? Die Antwort, die Jesus Anhänger auf den unschuldigen Tod Jesu gefunden haben, heißt: „für unsere Sünden gestorben“. – Jesus unschuldiger Tod um unsere Beziehung zu Gott wieder zu heilen

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Ecce homo. – Siehe ein Mensch.

Mit diesen Worten stellt Pontius Pilatus den gefolterten und mit Dornenkrone gekrönten Jesus vor das Volk. Verspottet, geschlagen, der Achtung beraubt.

Im Krieg vergessen die Kämpfenden, dass die Feinde gegenüber auch Menschen sind, Väter, Mütter und Kinder, die lachen, weinen, lieben und Schmerz empfinden. Nur so können sie töten.

Gewalt in Taten und Worten hört nur auf, wenn wir im anderen den Menschen sehen. Einen Menschen, den Gott genauso geschaffen hat wie mich und der ebenso Gottes Ebenbild ist. Ein Mensch dem Würde zu eigen ist.                     Siehe, ein Mensch.

Wie schaffen wir es im anderen den Menschen zu sehen, nicht nur mit den Augen sehen, sondern auch mit dem Herzen

  • in dem Verwandten, mit dem ich zerstritten bin,
  • in dem Politiker, mit dessen Entscheidungen ich nicht einverstanden bin,
  • mit dem Geflüchteten, der über das Mittelmeer kommt.

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Das Kreuz, das Jesus tragen muss, drückt schwer.  Der Bauer Simon von Kyrene, der gerade vom Feld nach Hause kehrt, hilft ihm die Last zu tragen.

Simon tut das nicht freiwillig. Er wird von den römischen Soldaten dazu gezwungen. Es ist wohl menschlich, nicht alle Lasten freiwillig zu schultern. Das könnten wir auch gar nicht.

Aber in dem Moment, in dem Simon von Kyrene das Kreuz auf seine Schulter nimmt, bleibt die Last, die Jesus trägt, für ihn nicht mehr abstrakt und fremd. Er spürt sie selbst, wenigstens eine Zeit lang. Er schaut nicht mehr bloß zu, sondern trägt und leidet.

Er kommt damit Jesus näher als irgend ein anderer. Sie tragen die Last gemeinsam.

Wieviel Last tragen wir für andere mit? Freiwillig oder gezwungen?

Und wieviel geben wir von dieser Erkenntnis über die Last an andere weiter?

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Sie hatten so sehr gehofft, dass es doch noch irgendwie anders ausgehen würde. Gebangt. Gebetet. Aber nun ist das Kreuz da. Unabwendbar. Das Ende in Sicht.

Wie soll man dieses Leid aushalten? Kann man das?

Nur wenige bleiben. Komme, was wolle. Die Liebsten. Wer auch sonst als die Liebe sollte das Leid aushalten?

Maria und Johannes stehen unter dem Kreuz.

Nicht nur Liebe verbindet, auch Schmerz und Leid. Vielleicht, weil sie nicht anders können, weil sie auf das setzen, was wirklich wichtig ist.

„Liebe ist stark wie der Tod“ singt das Hohelied Salomos (8,6).

Die Liebe hat selbst dem Tod etwas entgegenzusetzen,

weil Gott die Liebe ist (1Joh  4,16b).

Und weil die Liebe alles lebendig macht.

„Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lk 23,46)

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Das sollte nicht der Gang der Welt sein, dass die Kinder vor den Eltern sterben. Und doch kommt es vor.

Durch Krankheit. Durch Gewalt. Durch Krieg.

Tausendfach. Millionenfach.

Aber diesen unerträglichen Schmerz kann man nicht in addierenden Zahlen messen.

Millionenfach wird ein einzelnes Leben zerstört. Das Herz einer Mutter, eines Vaters, einer Schwester oder eines Bruders gebrochen. Der Ast der Hoffnung abgesägt. Wie soll man das begreifen?

Verwaiste Eltern.  Den Schmerz trägt man sein ganzes Leben mit sich.

Maria hält ihren toten Sohn im Schoß.

Der Moment, in dem alles stillsteht.

Ein Moment der Ewigkeit.  Danach kommt nichts mehr.

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Irgendwann muss alles zu Ende gebracht werden, wie schmerzlich es auch immer ist.

Sie legen den toten Jesus ins Grab.

Plötzlich muss ich Geliebtes loslassen.

Muss meine Hoffnungen begraben.

Das Leben in einer Sackgasse.

Trauer und Dunkelheit schließen mich ein.

Und dann?

Gibt es ein „und dann“?

Wo wurzeln meine Hoffnungen?

Oder ist das für mich das Ende?

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Am Ende des Bamberger Zeitglöckleins steht ein Bild von Franz von Asissi. Jesu Wunden verbinden sich mit denen von Franziskus.

Ich lese das so: Jesus Christi Leiden ist nicht fern und vergangen. Es steht in Verbindung mit dem Leid der Menschen, die im Glauben auf Jesus sehen. Wir können unser Leid im Leiden Jesu wiedererkennen und er leidet mit uns mit.

In Christus wissen wir Gott im Leiden bei uns.

Im Hintergrund des Bildes, links, ein bisschen versteckt, können wir trotz allem Leid schon das offene Grab des Ostermorgens erkennen. Es leuchtet schon hell. Trotz allem Leid und trotz allem: Nicht -für – möglich halten.

Gott gebe uns, dass diese Helligkeit des Ostermorgens auch immer wieder in unser Leid und unsere Todesdunkelheit hineinscheint, damit wir nicht trostlos werden.

Kreuzweg 2022 mit Bildern der Glasfenster der Ev.-Luth. Thomas-Kirche in Hörnum/ Sylt

Einzug in Jerusalem

Wie ein Tor zu den Geschehnissen der Heiligen Woche ist der Einzug in Jerusalem.

Wenn wir den Weg heute hier beginnen lassen, dann ist das nicht wirklich der Anfang. Vieles ist dem vorausgegangen und hat genau an diesen Punkt geführt.

Jesus ist mit seinen Jüngerinnen und Jüngern umhergezogen, ist bei Menschen eingekehrt. Er hat mit ihnen gegessen, ihnen von Gott erzählt und hat Menschen heil gemacht.

Jesus hat Streitgespräche geführt, hat Menschen gegen sich aufgebracht. Andere waren froh und dankbar für das, was er gesagt und getan hat. Große Taten erzählten sich die Menschen von ihm. Sie setzten ihre Hoffnung auf diesen Mann, durch den Gott zu ihnen kam./

Als Jesus in Jerusalem einzieht, da schwenken sie Zweige und jubeln ihm zu – Große und Kleine. Überschwängliche Freude und Hoffnung.

Sie sehen in ihm den Friedenskönig, den, der Gerechtigkeit bringt.

Sie jubeln und singen: „Hosianna – gelobt sei, der da kommt“.

Doch ihre Blicke sind gar nicht auf ihn gerichtet. Es ist, als schauen sie an ihm vorbei. Als erwarten sie einen ganz anderen. Dieser kommt so unauffällig, unscheinbar.

Geht er an ihnen vorbei, ohne dass sie ihn wirklich erkennen?

Wie groß ist die Gefahr, dass Jesus unerkannt bleibt? – Nicht nur bei denen, die sowieso nicht auf ihn gewartet haben, sondern auch bei denen, die sich ihr festes Bild vom Gottessohn schon gemacht haben.

In Jerusalem warten sie auf Triumph und Sieg, dass Gott sich mit Macht durchsetzt. – Das sagen die Palmenzweige in ihren Händen.

Ist Gott so?

Wie passt unsere Vorstellung vom mächtigen Gott?

Fußwaschung und Abendmahl

Was geschieht hier? So recht erfassen können sie die Dinge nicht. Unverständnis und Bestürzung liegen in ihren Blicken, Kratzen am Kopf Ratlosigkeit.

Ein Mahl mit Jesus – wie so oft. Darauf waren sie eingestellt. Doch dann wäscht Jesus ihnen die Füße. Ihr Herr macht sich zum Knecht. Wie kann das sein?

Wie oft geht es uns so, dass wir Normalität erwarten und plötzlich steht unsere Welt Kopf. Es geht ganz anders weiter, als wir gedacht haben. Aus heiterem Himmel kommt eine schlimme Diagnose, ein plötzlicher Todesfall, Corona, der Ukraine-Krieg. Nichts ist plötzlich mehr so, wie geplant und im ersten Moment sind die Dinge noch gar nicht voll zu fassen. Im ersten Moment hofft man, dass bald alles wieder in die gewohnten Bahnen zurückkehrt.

Doch der Moment, in dem sich das Leben verändert hat, war da. Es gibt kein Zurück mehr. –

Was heißt das nun für die Beziehung der Jünger zu Jesus Christus? Petrus kratzt sich am Kopf und scheint noch zu überlegen, andere scheinen sich besprechen zu wollen, bei Johannes ändert sich durch die Liebe gar nichts. Aber einer (ganz rechts), der ist schon auf dem Absprung. Mit Jesus kann er nicht mehr mit. Mit dem Beutel des Verrats wird er gleich durch die Nacht schleichen. –

Alles durcheinandergerüttelt. Das Oberste zu unterst gekehrt, das Unterste zu oberst. Und wir müssen damit leben und die Dinge mühsam neu ordnen und verstehen lernen.

Wie werde ich mit den Ereignissen klar kommen? Wird es mir gelingen in der Nähe Jesu zu bleiben, auch wenn ich vielleicht nicht alles verstehe, oder schleiche ich auch einsam durch die Nacht ins Verderben?

Im Garten Gethsemane (1)

Jesus ist allein im Garten. Die Angst hat ihn überfallen, von einem Moment auf den anderen. Es war nicht so, dass er die Gegenstimmen und die Gefahr nicht wahrgenommen hätte. Aber plötzlich ist der Weg unabwendbar. Die Angst real. Im Inneren lodert es, brennt wie Feuer und der Schweiß tritt auf die Stirn.

Was soll man schon tun, wenn es keinen Ausweg mehr gibt?

Jesus betet. Anders als wir fragt er nicht nach dem Warum. Er bittet nicht, dass Gott eingreift. Er geht seinen Weg selbstbestimmt.

Dazu gehört auch, dass er seine Freunde im Garten allein warten lässt. Sie sollen mit ihm wachen.

Im Garten Gerhsemane (2)

Doch die Freunde schlafen ein. Drei Mal erzählt uns die Bibel davon.  So unerhört ist das. Vielleicht ist es das, was Jesus am meisten zu schaffen macht, dass die Freunde ihm keinen Halt geben, ihm nicht beistehen. –

Nichts Tun können macht müde. – Oder verschließen die Jünger vor Angst lieber ihre Augen? Ich sehe nichts, ich höre nichts, ich muss nichts sagen?

Wird uns das erzählt, damit wir wach bleiben? Dass die Kirche nicht einschläft. Dass wir nicht die Augen verschließen vor den Leid und Tod bringenden Kräften in dieser Welt.

„Bleibt wach! Bleibt wachsam!“, sagt Jesus zu uns.

Gefangenname

Die Geschehnisse nehmen ihren Lauf. Sie überschlagen sich.

Die Soldaten kommen mit Waffen, um Jesus gefangen zu nehmen.

Ein Kuss, der die Liebe in ins Gegenteil verkehrt – da wissen die Soldaten, wen sie gefangen nehmen müssen.

Im Eifer des Gefechts wird dem Knecht das Ohr abgehauen. Ein

Versuch die Dinge noch aufzuhalten? Halbherzig? Naiv? Sinnlos?

Die Geschehnisse nehmen ihren Lauf.

Was bleibt von solch dramatischen Minuten?

Und wo ist dabei Gott?

Wenn der Hahn kräht

Petrus sitzt am Feuer, doch das Feuer kann ihn nicht wärmen. Die Kälte der Angst ist in ihm hochgekrochen. Seit sich die Geschehnisse so überschlagen haben, seit die Soldaten Jesus mit Waffen kamen, seitdem hat Petrus das volle Ausmaß der Dinge begriffen. Die Situation ist gefährlich, nicht nur für Jesus, sondern für alle, die seiner Sache nahestehen.

Die Selbstsicherheit von Petrus ist jetzt wie weggeblasen. Und als die Frau auf ihn zeigt und sagt: „Du gehörst doch auch zu diesem Jesus!“, da steigt die Angst ins Unermessliche. – Die Angst vertreibt die Wahrheit.

Wie oft ist das so! Nicht nur bei Petrus damals.

Die Angst um mich selbst, um die Familie, die Angst um die Arbeit oder den Besitz. Wie schwer ist es, ihr zu widerstehen.

Wie schwer ist es, die Treue zu halten – zum Glauben an Jesus Christus in aller Offenheit zu stehen – die Stimme zu erheben für die, denen Unrecht getan wird – an der Nächstenliebe festzuhalten, wenn ich meinen Lebensstandart dauerhaft dafür einschränken muss – am Pacifismus festzuhalten, wenn ich mich von Waffen und Krieg umzingelt sehe.

Welche Wahrheit gilt in der Angst? Wenn der Hahn kräht – das Signal zum wach werden – dann erkennen wir uns selbst. – Und was ist dann aus uns geworden?

Kreuzige ihn!

Pontius Pilatus ist sich nicht sicher: was soll er mit diesem Jesus Christus tun? Er kann keine Schuld bei ihm finden. Doch die Menschen schreien: „Kreuzige ihn!“ Fäuste der Wut und der Empörung schwingen durch die Luft.

Nur wenige sind bestürzt, sehen den Menschen und sein Leiden, können differenzieren. –

Die Masse heizt die Stimmung an. Es ist einfach, mit den vielen mitzubrüllen und sich stark zu fühlen. Wer die Schuld einem anderen zuweist, muss bei sich selbst nicht suchen. –

Warum geben wir uns so gern mit einfachen Antworten zufrieden? Warum suchen wir einen Sündenbock für das, was schiefläuft, ohne nach dem eigenen Anteil zu fragen? Schreien mit der Masse mit, auch wenn wir sehen, dass dabei leiden. – Kreuzige ihn!

Kreuz tragen

Der Weg des Verurteilten führt nach Golgatha.

Jesus muss das Kreuz tragen. Die Last ist schwer. Unrecht, Leid und Tod können einen Menschen schnell an den Rand seiner Kräfte bringen. – Jesus bricht unter dem Kreuz zusammen. Daneben stehen zu müssen und nichts tun zu tun, bringt an den Rand der Verzweiflung. Petrus steht im dunklen Abseits.

Doch Simon von Kyrene, ein Bauer vom Feldrand, taucht das düstere geschehen in helles Licht. Er ist ein Helfer. Er nimmt das Kreuz Jesu auf sich. Hilft die Last wenigstens ein Stück mitzutragen.

„Einer trage des anderen Last“, schreibt der Apostel Paulus Jahre später an die christlichen Gemeinden in Galatien, „Einer trage des anderen Last, so erfüllt ihr die Weisung, die Christus gegeben hat.“ (Gal 6,2).

Am Kreuz

Drei Menschen sterben am Kreuz. Welch unendliches Leid. Doch unsere Augen sind an das Kreuz gewöhnt. Wir schauen hin. Wir schauen weg und haben es bald wieder vergessen. Wir nehmen das Leid und die Schmerzen nicht mehr wahr. Empören uns nicht über den Skandal, wie Menschen Menschen so etwas antun können.

Doch wenn ich länger hinsehe – mir Mühe gebe, auszuhalten – den Blick nicht schnell von Jesu Gesicht abwende – Wenn ich den Schmerz an mich heranlasse, dann merke ich, wie ohnmächtig mich dieses Leiden macht.

Ich muss an die vielen Menschen denken, die sinnlos sterben – im Krieg, wegen Hunger, weil es keine ärztliche Versorgung gibt. – Wessen Schuld ist das?

Hier sterben zwei wegen ihrer eigenen Schuld, Jesus in der Mitte wegen der Schuld anderer. Es gibt kein Entrinnen. Keinen Ausweg. Kann etwas Fürchterliches Sinn haben?

Ins Grab gelegt

Gestorben und begraben. Bis hierher und nicht weiter. Die Geschichte ist zu Ende erzählt, der Lebensfaden abgeschnitten. Zurück bleiben Trauer und Schmerz, Sehnsucht, Erinnerungen – Stille.

Immer wieder stehen Menschen so am Grab ihrer Lieben.

Die Endgültigkeit ist kaum auszuhalten. Der Wunsch, es wäre anders, drängt sich immer wieder ins Herz. Die Hoffnung flüstert leise helle Gedanken. Doch menschliche Erfahrung ist hart wie Beton. Sie hält den Stein fest vor der Grabestür. Was soll da schon noch kommen? Schluss. Aus. Vorbei.

Der dritte Tag

Am dritten Tag kommen die Frauen zum Grab. Sie wollen die Dinge zu Ende bringen, den Leichnam salben.

Doch es verläuft nicht nach Plan, zumindest nicht nach dem menschlichen.

Der dritte Tag ist der Tag der Rettung. Das erzählt die Bibel immer wieder. Wo die Frauen Dunkelheit erwartet haben, da ist Licht. Wo Tod war, da ist Leben. Statt dem Ende ein neuer Anfang. – Doch ihre Gesichter sind nicht froh.

„Sie liefen davon und sagten keinem etwas“ – so endete ursprünglich die Ostererzählung des Markusevangeliums.

Ja, es ist schwer in unsere menschlichen Ordnungen, Gottes Möglichkeiten einziehen zu lassen.

Zu festgelegt sind wir.

Zu sehr auf natürliche Gesetzmäßigkeiten und Statistiken fixiert.

Doch darauf lässt Gott sich nicht festlegen.

„Wenn du (alles) verstehst, ist es nicht Gott“, hat der Kirchenvater Augustinus gesagt. Gott ist immer ein Stück größer als unser Denken es fassen kann. Er verändert und macht neu, wo für uns der Weg schon längst zu Ende war.

Gott schenkt neues Leben und Hoffnung über den Tod hinaus. – Werden wir das Ostern sehen?

Die Glasfenster wurden 1970 vom württembergischen Künstler Wolf-Dieter Kohler geschaffen für die damals gerade neu errichtete Kirche in Hörnum.

Bildquelle: Alle Pixabay/ Falco.

Erzählter Kreuzweg mit 7 Großbardauer Emporenbildern

Diesen Kreuzweg widme ich Hanna Reinicke (*1926 † 2021), die bis zu ihrem Lebensende treu an Jesus Christus geglaubt hat.

Ev.-Luth. Kirche Großbardau

Einleitung

Ab wann ist der Kreuzweg ein Kreuzweg? Wenn ich die schwere Last auf meinen Schultern spüre? Wenn sie mich niederdrückt, dass ich dem Abgrund unendlich näher bin als dem Himmel? Oder schon viel früher? Anfangs unbemerkt, schleichend, Schritt für Schritt? –

Im Gehen entsteht der Kreuzweg. Und wer weiß schon vorher, auf welches Ziel er zuläuft?

Foto: U. Härtig
  1. Abendmahl

Noch einmal sind sie alle zusammen. Noch … einmal. – Doch das kommt in ihren Gedanken gar nicht vor. Denn diese Einschätzung gewinnt man erst im Rückblick. Aber sie sind jetzt zusammen. So wie immer seit er sie gerufen hat, ihm zu folgen. Zusammen in vertrauter Gemeinschaft. – Oder ist ihre Welt vielleicht doch nicht ganz heil?

Elf Jünger sitzen mit Jesus am Tisch.

Einer hat Jesus bereits verlassen. Die Gemeinschaft beginnt zu bröckeln. Noch merken sie es kaum. Das gemeinsame Mahl verbindet. Jesus bricht das Brot mit ihnen: „Das ist mein Leib für euch. Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut. Das tut zu meinem Gedächtnis.“ Feierliche Worte. Doch keiner der Freunde kann ihre Bedeutung voll erfassen. Zu viel liegt in diesen Worten.

Aber Jesus ist ihr Mittelpunkt, nicht nur hier in diesem Raum. Auf ihn haben sie ihr Leben ausgerichtet. Gespannt blicken Sie auf ihn, unterhalten sich oder finden in seinem Kreis wie selbstverständlich Platz.

Wer ist er für sie? Ein Heiliger? Wohl kaum. Einer der ihren. Ganz ohne Heiligenschein. Nur das Licht der alltäglichen Zimmerlampe lässt ihn heller scheinen als die anderen.

Noch blicken sie auf ihn. Noch hören sie zu, wenn er spricht. Noch sind die, die jetzt mit ihm zusammensitzen, ganz sicher: „Ich verlasse dich nicht, Jesus. Auf gar keinen Fall.“

In diesem Moment sind die Worte ernst. So gemeint, wie gesprochen.

Aber der Kreuzweg hat gerade erst begonnen. Die Feuerprobe lässt sich noch kaum erahnen. Dann werden menschliche Sätze wie „Ich verlasse dich nicht. Ich bleibe bei dir!“ in die Schranken gewiesen. Was bleibt am Ende von meinem festen Willen und von meiner Selbstsicherheit, wenn es „hart auf hart“ kommt und die Welt unter meinen Füßen schwankt? Bleibe ich mir dann meiner und meines Glaubens gewiss?

EG 228 („Er ist das Brot, er ist der Wein“)
Foto: U. Härtig

2. Gethsemane

Jesus ist allein im Garten Gethsemane. Nicht nur seine Gedanken sind unruhig. Der ganze Körper bebt angesichts dessen, was er kommen sieht – Leid, Schmerz und Tod. Wer kann dabei schon gleichmütig bleiben, wenn das eigene Leben oder das eines geliebten Menschen in Gefahr ist?

Die Seele ist in Aufruhr. Die Gedanken kreisen. Der Körper ist entsetzlich angespannt.

Angesichts solcher Erschütterung und riesengroßer Angst wünscht sich die Seele zur Ruhe zu kommen. Sie zieht sich zurück möglichst weit weg vom normalen Leben, an einen stillen Ort. Gleichzeitig hofft sie, dass da vielleicht doch einer ist, der das Schicksal wendet oder doch wenigstens mitträgt. Ob da einer kommt?

Zuflucht ist bei dem Gott, der von alters her ist. In den Armen des Ewigen bist du geborgen (5. Mo 33, 27a). – Jesus betet. Allein. Im Garten: „Lass es an mir vorübergehen …aber wenn es dein Wille ist, Vater…“

Wofür bete ich in der Not? Für das, was ich will, was mir im Moment am besten scheint? Dass doch noch alles gut wird? Oder dafür, dass ich annehmen kann, wie auch immer alles ausgeht? Dass Leib und Seele ertragen können?

Wozu soll mir mein Gebet verhelfen?

Da erschien ein Engel vom Himmel und gab Jesus neue Kraft (Lk 22,43).

Kraft zum Weitermachen? Kraft, um aufzustehen? Kraft, den Weg zu Ende zu gehen? Kraft, das Schicksal anzunehmen? Kraft zu glauben? Kraft neu anzufangen? Kraft wozu?

EG 86 („Jesu, meines Lebens Leben“)
Foto: U. Härtig

3. Geißelung Jesu

Schritt für Schritt führt der Kreuzweg in die Tiefe. In menschliche Abgründe und in die Abgründe von Schmerz und Leid. Abgründe, die unerträglich sind, nicht nur für den, der sie zu spüren bekommt.

Da nahm Pilatus Jesus und ließ ihn geißeln (Joh 19,1).

Wie können Menschen einander so etwas antun? Geht es um Recht haben? Geht es um Macht? Geht es um Geld? Um Glauben? Um das Ausschalten unliebsamer Meinungen?

Gewalt verletzt Körper und Seele. Die Würde geht zu Boden. – Doch hier trägt gerade der Misshandelte den Heiligenschein.

Der Heiligenschein ist in der Kunst ein Zeichen für den, der mächtig ist, erleuchtet, heilig oder göttlich.

Was für ein unergründliches Geheimnis unseres Glaubens! Gerade im Unbedeutenden kommt Gott zur Welt. Der Erniedrigte ist der König. Im Menschlichen wohnt das Göttliche. Die Letzten werden die Ersten sein und die Ersten die Letzten (Mt 19,30). Zeichen für Gottes neue, andere Welt, die mit Jesus Christus anbricht.

Doch noch haben wir – wie auf diesem Bild – die Erniedrigung und das Leid täglich millionenfach vor Augen, nicht das Gerettete und Geheilte. Noch ist Leiden der Anblick unserer Welt. –

Werden wir uns daran gewöhnen oder suchen wir nach dem noch kaum sichtbaren, kleinen Schein, der die Welt für uns in ein völlig neues Licht taucht?

EG 87 („Du großer Schmerzensmann“)
Foto: U. Härtig

4. Mit dem Kreuz unterwegs

Der Kreuzweg geht weiter. Doch jetzt ist das Kreuz sichtbar. Groß und schwer liegt es auf Jesu Schultern. Sie ziehen hinauf nach Golgotha, der Hinrichtungsstätte vor den Toren Jerusalems.

Wie begegnet man diesem Kreuz, das Leid und Tod bedeutet?

Nicht einer auf diesem Bild hat mit dem Kreuz nichts zu tun – so wie auch wir heute immer etwas zu tun haben mit all dem Leid und mit jedem Tod, von dem wir Kenntnis haben.

Unter der Last des Kreuzes kann man fallen.

Die Mutter bleibt Jesus nah. Sie will ihm aufhelfen und schenkt ihm weiterhin ihre Liebe. Sie gibt Kraft und Mut, um den schweren Weg weiter zu gehen.

Simon von Kyrene geht ein Stück des Leidensweges mit. Er hilft, die schwere Last zu tragen.

Aber da sind auch noch andere. Sie sind die deutliche Mehrheit.

Da sind die, denen die Erhaltung der eigenen Macht wichtiger ist, als der Schutz und die Hilfe derer, die leiden.

Da sind die, die an den geltenden Herrschaftsstrukturen nichts ändern wollen, weil sie in ihrem Interesse sind oder weil sie Angst haben.

Und da sind auch die, die die Schwachen mit Gewalt noch weiter niederdrücken. –  

Und wer von all jenen bist du?

Und vielleicht ist es ja so, dass du nicht immer nur derselbe bist.

EG 81 („Herzliebster Jesu“)
Foto: U. Härtig

5. Kreuzigung

Jesus hängt am Kreuz. Festgenagelt. Es gibt kein Zurück. Qualvolles Warten auf den Tod. Und auch wenn andere ebenso leiden und mitsterben, den eigenen Tod stirbt doch jeder für sich allein.

Gedanken. Fragen. Zweifel. Schuld. Klage.

Und hoffentlich auch Vergebung und Hoffnung.

Das Sterben ist die Stunde der Wahrheit über das eigene Leben und über den eigenen Glauben.

Reicht mein Glauben, dass sich nicht alles von mir in Nichts auflöst? Wird etwas bleiben? Oder war alles nichtig?

Kann ich am Ende sagen: „Es war gut so, wie es gewesen ist“ oder steht am Ende ein einziges Bereuen?

Und was wird mit der Schuld, die ich selbst nicht aus der Welt räumen kann? Wenn sie auf mir lasten bleibt, dann wird der Tod mir zum Gericht.

Wir bleiben auf Gott angewiesen, auf seine Retter- und Erlöserkraft – im Leben und im Sterben. Jesus Christus ist es, der die Wunden unseres Lebens zu heilen vermag. Denn in ihm treffen Himmel und Erde, Mensch und Gott zusammen und versöhnen sich. Er vermag das, was schief gelaufen ist, gerade zu richten. Wer sich darauf verlässt, der hat das Leben.

EG 84 („O Welt, sieh hier dein Leben“)
Foto: U. Härtig

6. Grablegung

Die wohl bittersten Momente sind in unserem Leben, wenn wir das, was wir lieben, zu Grabe tragen müssen.

Das Entsetzen ist ihnen noch ins Gesicht geschrieben. Der Schrecken des Kreuzes ist noch längst nicht vorbei. Noch ist das Kreuz zu sehen. Das Leid und der Schmerz mit Händen zu greifen.

Im Tod verliert sogar dieser seltsame Dornenkronenkönig seine Krone.

Und doch – es muss getan werden. Es muss zu Ende gebracht werden.

Der Tod wiegt schwer. Er ist nicht allein zu tragen.

Gemeinsam legen sie ihn ins Grab.

Mit dem gleichen Entsetzen und dem „Es-muss-getan- werden“ stehen auch wir jedes Mal wieder am offenen Grab. Müssen hergeben, was uns lieb ist. Gehen mit dem Gefühl der Leere. –

Nach menschlicher Logik ist das das Ende des Kreuzweges. Nach menschlicher Logik kann da nichts mehr kommen.

EG 520 („Nun legen wir den Leib ins Grab“)
Foto: U. Härtig

7. Auferstehung

Nach Gottes Logik kommt der achte Tag. Die Woche beginnt nicht im alten Sieben-Tage-Schema wieder von vorn. Gott zählt weiter. Der achte Tag ist der Tag, der alles neu werden lässt.

Jesus Christus ist auferstanden. Kraftvoll und stark. Er trägt die Siegesfahne in der Hand. Kein Wächter, kein Grab und kein schwerer Stein können ihn aufhalten. Er macht sich auf den Weg zu Gott, seinem Vater.

Doch nicht einmal jetzt ist das Kreuz weg. Wie sollte es auch? Dazu gehen Schmerz und Tod viel zu tief. Und ohne Kreuz keine Auferstehung. Nur durch den Tod hindurch beginnt das neue Leben.

Aber das Kreuz beginnt zu leuchten – wie der Auferstandene. Es nimmt eine andere Bedeutung an, wird zum Zeichen des Lebens.

Ist das nun das Ende des Kreuzweges?

Für mich ja.

Der US-amerikanische Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller George Orson Wells (1915-1985) hat einmal gesagt: „Wenn du ein Happy End willst, hängt das natürlich davon ab, wo du deine Geschichte aufhören lässt.“

Für mich soll die Geschichte nicht mit dem Tod enden. Ich will nicht, dass der Tod siegt.

Das habe ich für mich beschlossen.

Ich will das Leben.

Darum glaube ich.

EG 98 („Korn, das in die Erde“)

Dieser Bilderkreuzweg fand am 16.03.2021 in der Kirche Kleinbardau statt.

Ev.-Luth. Kirche zu Großbardau, Kirchenschiff (restauriert sind bisher nur Empore und der Gekreuzigte) Foto: S. Donner

Zu den Großbardauer Emporenbildern

Im Herbst 2020 wurden die insgesamt 35 Emporenbilder der Ev.-Luth. Kirche Großbardau, die heute noch vorhanden sind, von Dipl.- Rest. Uwe Härtig aus Leipzig restauriert.

Die Bilder stammen nach derzeitigem Wissen aus barockem Bestand. 1689 wurden neue Emporen mit 66 bemalten Tafeln errichtet. Doch nicht alle Bilder haben überlebt, auch weil die Emporen in der Kirche Großbardau mehrfach verändert wurden.

Die derzeitigen Emporen sind 1933/34 im Rahmen des Reinhardtprogramms neu eingebaut und 35 ausgewählte Bilder aus dem alten Bestand darauf angeordnet worden. Die restlichen Bilder sind verschollen.

Der Leipziger Maler Emil August Moritz Block (1884-1966) überarbeitete die Bilder in Monochrom-Technik für den Wiedereinbau in der Großbardauer Kirche und stellte von einigen Kopien her, da die Emporen in Richtung Altar nun eine Krümmung aufwiesen. Als kurz zuvor fertiggestelltes Hauptwerk von E. Block gilt die Ausgestaltung der Bethanienkirche in Leipzig-Schleußig (1931-1934).

Dank

Im Namen der Kirchgemeinde Großbardau- Kleinbardau- Bernbruch danke ich der Denkmalpflege vielmals für die finanzielle Unterstützung der Restaurierungsarbeiten und die begeitende Beratung, Dipl.- Rest. U. Härtig für die gelungene Restaurierung der Emporenbilder, Dipl- Ing. O. Kluge für die langjährige Baubegleitung und die wohlwollende, auch finanzielle Unterstützung durch unsere Landeskirche.

Kantor Reinhard Peldszus (Trebsen) danke ich herzlich für das Einspielen der Choräle.

Pfarrerin Susann Donner im März 2021

Steinkreuzweg für Kinder

Dieser Steinkreuzweg entstand im Jahr 2020.

In Kleinbardau bei Grimma (Sachsen) findet in jedem Jahr in der Passionszeit ein Bilderkreuzweg statt. Mit Bildern, Orgelmusik und Gebeten denken wir über das Leiden nach und gehen Jesu Weg mit.

Im Jahr 2020 war uns das auf diese Weise leider nicht möglich. Deshalb ist die Idee des Steinkreuzweges entstanden. Acht Bilder, mit Acrylstiften auf Stein gemalt, folgen dem Leidensweg Jesu bis Ostern. Sie waren entlang des Friedhofsweges ausgelegt, so dass jeder bei seinem persönlichen Spaziergang dem Kreuzweg folgen konnte. Die folgende Kreuzwegversion ist für Kinder entstanden.

Steinkreuzweg

Manchmal müssen wir Wege gehen, vor denen wir uns fürchten. Wir können nicht einfach davonlaufen. Wir können auch nicht einfach gar nichts tun. Wir müssen mit unserer Angst weitermachen.

Wir können uns aber auf unserem Weg Gott anvertrauen. Wir vertrauen darauf, dass er es gut werden lässt. Selbst wenn es nicht danach aussieht. Denn unser Gott liebt das Leben.

Deshalb erzähle ich dir von Jesus in Jerusalem. Ich erzähle dir vom Kreuzweg.

1) Jesus war mit seinen Freunden, den Jüngern, an vielen Orten in Galiläa unterwegs gewesen. Er hatte Menschen von Gott erzählt, hatte geheilt und außergewöhnliche Dinge getan. Viele Menschen hatten von ihm gehört.

Jetzt ist er mit den Jüngern auf dem Weg nach Jerusalem. Sie wollen dort das Passahfest feiern. Jesus weiß, er hat Feinde in Jerusalem. Doch er fühlt, dass er jetzt nach Jerusalem gehen muss.

Unterwegs besorgen ihm die Jünger einen Esel. So kommt Jesus auf einem Esel nach Jerusalem. Als er die Straße entlangreitet, jubeln ihm die Menschen zu. Sie feiern ihn wie einen König. Sie legen Palmenzweige und Kleidungsstücke auf den Weg wie einen Teppich.

Wie passen Jubel und Angst zusammen?

Kann der Jubel die Angst wegwischen?

Oder wischt die Angst den Jubel weg? Jesus weiß, dass die Menschen ihn nicht verstanden haben. Das was sie von ihm erwarten, kann er ihnen nicht geben. So ein König ist er nicht.

2) Am Abend sitzt Jesus mit seinen Freunden beieinander beim Passahmal. Sie feiern das große Freiheitsfest. Sie erinnern sich: Gott hat das Volk Israel aus der Gefangenschaft in Ägypten befreit. Das ist ein Freudenfest. Ein Gott, der so etwas tut, der liebt das Leben. Auf den kann man vertrauen.

Als sie so beieinandersitzen, nimmt Jesus plötzlich das Brot. Er teilt es mit seinen Freunden und sagt: „Das ist mein Leib für euch gegeben“. Danach nimmt er den Kelch: „Das ist mein Blut, das für euch vergossen wird“.

In die Freude zieht eine ernsthafte Stille ein. Was tut Jesus da? Was meint er damit?

Dass Jesus von seinem Tod spricht, wissen die Freunde nicht. Darauf sind sie nicht vorbereitet.

Dem Tod gehen die meisten Menschen lieber aus dem Weg.

3) Es ist dunkel. Nicht nur die Nacht draußen, auch in Jesus drin ist es dunkel. Er hat Angst vor dem, was kommen wird. Von seinen Freunden umgeben, fühlt er sich allein. In einen Garten zieht er sich zurück, um zu beten.

An Gott kann ich mich wenden, wenn mir sonst keiner hilft. An Gott kann ich mich wenden, wenn meine Ängste mich zu verschlingen drohen.  An Gott kann ich mich wenden, wenn ich Kraft brauche. Deshalb betet Jesus. Dann kommen die römischen Soldaten und nehmen ihn gefangen. Judas, ein Freund, hat Jesus verraten. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.

4) Jesus wird zu Pontius Pilatus gebracht. Pontius Pilatus ist römischer Präfekt. Das ist einer, der bei den Römern viel zu sagen hat. Er soll feststellen, ob Jesus an etwas schuldig ist. Dann müsste Pontius Pilatus ihn verurteilen. Doch Pontius Pilatus kann keine Schuld bei Jesus finden.

Viele Menschen in Jerusalem wollen trotzdem, dass Jesus stirbt. Sie schreien: „Ans Kreuz mit ihm!“.

Pontius Pilatus wäscht sich die Hände. Mit der Verurteilung von Jesus will er nichts zu tun haben. Seine Hände sind sauber. Keiner nimmt gern Schuld auf sich. Lieber versuchen wir, sie anderen zuzuschieben. Aber geht Schuld davon weg?

5) Jesus wird verurteilt. Er muss selbst den schweren Balken nach Golgotha schleppen. Dort auf dem Berg soll er gekreuzigt werden.

„Der trägt sein Kreuz“, sagt man über Menschen, die etwas Schweres im Leben aushalten müssen. Solche Menschen müssen mit einer schweren Krankheit leben. Oder etwas Wichtiges in ihrem Leben hat nicht geklappt. Oder ihnen ist ein lieber Mensch gestorben.

Leid und Schmerz aushalten, das braucht viel Kraft. Jesus hat sein Kreuz getragen. Er ist seinen Weg weiter gegangen.

6) Als Jesus gefangen genommen worden war, verspotteten ihn die Soldaten. Sie setzten ihm eine stachelige Krone aus Dornenzweigen auf den Kopf. Sie schlugen ihn. Sie fielen vor ihm auf die Knie und riefen: „Sei gegrüßt, du König der Juden!“

Jetzt auf dem Berg Golgotha nageln die Soldaten Jesus an Kreuz.

Immer wieder fügen Menschen anderen Menschen Schmerz zu. Manchmal sind die Wunden äußerlich sichtbar. Andere Verletzungen, die wir einander zufügen, können wir nicht sehen. Wir spüren sie nur ganz tief in uns drin. Sie entstehen durch böse Worte oder wenn wir bei etwas nicht dabei sein dürfen, wo wir gerne dabei wären.

Das uns so etwas passiert, das möchten wir nicht. Doch immer wieder tun wir so etwas anderen an. Jesus nimmt all diese Verletzungen und die Schuld mit an seinem Kreuz. Er bringt sie zu Gott.

7) Jesus hängt am Kreuz. Mit ihm sterben zwei Verbrecher. Jesus fühlt sich von Gott verlassen.

„Warum?“, fragen viele, denen etwas Schlimmes geschieht, „Warum passiert mir das?“. Wem etwas Schlimmes widerfährt, der kann Gott manchmal nicht mehr spüren. Er zweifelt an Gott. Er fragt: „Gibt es dich wirklich, Gott? Was für ein Gott bist du?“

Alles scheint sinnlos. Alles ist zu Ende. Manchmal ist es kaum noch auszuhalten.

Das hat Jesus am Kreuz auch erlebt. Er kennt den Schmerz. Er kennt das Verlassen-Sein.

Mit Jesus, seinem Sohn, hat Gott mitgelitten. Er leidet mit jedem Menschen mit, dem Schlimmes widerfährt. Er verlässt uns nicht, auch wenn wir ihn nicht spüren können.

8) Jesus ist tot. Begraben. Ein dicker, schwerer Stein liegt vor dem Grab. Alles zu Ende.

Doch unser Gott ist ein Gott des Lebens. Der dritte Tag ist der Tag der Rettung.

Am ersten Tag der Woche machen sich die Frauen auf zum Grab von Jesus. Sie wollten den toten Körper von Jesus mit wohlriechendem Balsam einreiben.

Sie kommen am frühen Morgen am Felsengrab an. Doch der schwere Stein vor der Tür ist weggerollt.

Jesus ist auferstanden. Im Grab ist er nicht mehr zu finden. Er lebt. Seine Sache geht weiter.

Gott schenkt neues Leben. Er ist stärker als der Tod.

Wenn alles zu Ende scheint, bahnt Gott einen neuen Weg.

Gott verlässt keinen, der gestorben ist. Das hat er uns mit Jesus Christus gezeigt. Das ist unsere Zuversicht. Trage sie in deinem Herzen.

© Bilder und Text: Susann Donner